Die Transformation unseres Ernährungssystems ist eine zentrale Aufgabe, um nachhaltige und gesunde Lebensweisen zu fördern. Dabei spielt die Gemeinschaftsverpflegung – also Kantinen, Mensen und ähnliche Einrichtungen – eine Schlüsselrolle. Rund 15 bis 18 Millionen Menschen in Deutschland nehmen täglich außer Haus Mahlzeiten ein. Ihre breite Reichweite gibt dieser Branche ein bedeutendes Potenzial für den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit. Das Projekt „BioRegioKantine“, durchgeführt von der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit der ÖKONSULT GbR, setzt genau hier an. Ziel des Projekts war es, praktikable Lösungen für die Integration bioregionaler Produkte in den Alltag von Großküchen zu entwickeln.
Wir informieren Sie über die Ergebnisse und Empfehlungen des Projekts, die zeigen, wie bioregionale Ansätze erfolgreich umgesetzt werden können, um den Anteil dieser Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent zu erhöhen – ein Ziel, das das Land Baden-Württemberg bereits formuliert hat.
Warum bioregionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung wichtig sind
Die Gemeinschaftsverpflegung hat nicht nur eine Versorgungsfunktion, sondern bietet auch eine Plattform zur Förderung nachhaltiger Ernährungsweisen. Indem mehr bioregionale Produkte verwendet werden, kann der ökologische Fußabdruck der Ernährung deutlich reduziert werden. Zudem fördern kurze Lieferketten die regionale Wirtschaft und stärken lokale landwirtschaftliche Strukturen. Besonders vor dem Hintergrund steigender Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln kommt der Gemeinschaftsverpflegung eine Leitfunktion zu. Sie kann als Vorbild dienen und einen kulturprägenden Einfluss auf Konsummuster und Akzeptanz für neue Ernährungsmodelle haben – insbesondere bei jüngeren Zielgruppen, wie Schüler*innen und Studierenden.
Die Methodologie des Projekts „BioRegioKantine“
Das Projekt „BioRegioKantine“ setzte auf eine breit angelegte Methodik, um fundierte Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Grundlage war nicht nur die Analyse von internationalen Studien, sondern auch die gezielte Auswertung deutschsprachiger Berichte und empirischer Daten aus der Praxis:
Umfassender Literaturüberblick:
- Analyse von 25 wissenschaftlichen Publikationen aus dem europäischen Raum.
- Auswertung von 17 Projektberichten aus dem deutschsprachigen Raum.
Qualitative Interviews
- Befragung von 15 Expert*innen aus relevanten Bereichen wie Ernährungswirtschaft, kommunale Verwaltung, Biomusterregionen, Wissenschaft sowie aus Unternehmen und Praxisnetzwerken. Beispiele für eingebundene Akteure waren Küchenleitungen, Logistikdienstleister und Vertreter kommunaler Verwaltungen.
Zusätzliche empirische Datenerhebung
- Laut Bericht essen täglich rund 15 bis 18 Millionen Menschen in Deutschland außer Haus. In landeseigenen Kantinen schwankt der Bio-Anteil derzeit zwischen 0 und 50 Prozent, der Durchschnitt liegt bei etwa 11 Prozent
- 75 % der Befragten halten die Herkunft der Lebensmittel für wichtig, 58 % legen Wert auf Bio-Qualität, 60 % achten besonders auf Regionalität und Saisonalität
Identifikation von Erfolgs- und Hemmfaktoren
- Im Fokus stehen nicht nur politische und logistische Aspekte, sondern auch konkrete Herausforderungen aus den Küchen – wie Fachkräftemangel, Preis- und Zeitdruck, eingeschränkte Verarbeitungsressourcen sowie die Verfügbarkeit vorverarbeiteter bioregionaler Produkte

Die Ergebnisse dieser Analysen führten unter anderem zu zehn praxisorientierten Handlungsempfehlungen, deren Umsetzung als Grundlage für eine zielgerichtete Weiterentwicklung nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung dienen kann.
Zehn zentrale Handlungsempfehlungen
Die im Bericht bestätigten Handlungsempfehlungen sind als „Steckbriefe“ aufbereitet. Sie adressieren politische, logistische sowie bildungsbezogene Handlungsfelder. Nachfolgend ein Überblick mit ausgewählten Ergebnissen aus der Praxis:
1. Klare politische Zielvorgaben setzen
- Ziele – etwa ein Bio-Anteil von mindestens 30 bis 40 Prozent bis 2030, wie es Baden-Württemberg plant – sorgen für Orientierung und Akzeptanz. In Städten wie Regensburg wurden mit Gemeinderatsbeschlüssen verbindliche Festlegungen getroffen, die maßgebliche Veränderungen bewirkten.
2. Bio und Regionalität in Vergabeverfahren integrieren
- Die rechtssichere Integration von Biokriterien ist bereits vielerorts Praxis. Eine größere Herausforderung bleibt die Förderung von Regionalität unter Berücksichtigung EU-weiter Vergaberichtlinien. Erfolgreiche Beispiele finden sich in Städten wie Karlsruhe (Bio-Mindestanteil verknüpft mit Zuschlagskriterien).
3. Förderung von Frischeküchen und kommunalen Eigenbetrieben
- Ein hoher Bio-Anteil gelingt besonders gut dort, wo eigene Küchen mit flexibler Einkaufspolitik agieren. Die Fallstudien zeigen eine starke Korrelation zwischen der Steuerungsmöglichkeit von Küchen und dem Anteil bioregionaler Produkte. In einigen Fällen konnte der Bio-Anteil von 5 % auf über 40 % gesteigert werden.
4. Koordinationsstellen zur Vernetzung
- Erfolgreiche Projekte setzen auf dauerhafte, finanziell abgesicherte Koordinationsstellen. Netzwerkveranstaltungen und digitale Plattformen werden als Schlüsselfaktoren für die Verknüpfung regionaler Wertschöpfungsketten genannt.
5. Optimierung von Logistik- und Bündelungsstrukturen
- Eine wesentliche Hürde ist die Lieferung kleiner Mengen. 38 % der vorverarbeiteten Produkte in befragten Küchen stammen regional, aber nur 8 % sind bioregional. Die enge Anbindung spezialisierter Partner – wie CF Customized Foodservice (CF Gastro Service GmbH & Co. KG) – kann diese Lücke durch kooperative Logistikkonzepte und Bündelungsstrategien schließen.
6. Nutzung digitaler Werkzeuge
- Digitale Plattformen verbinden Angebot und Nachfrage sowie Planungs- und Steuerungsprozesse. Das Projekt RegioBioMatch zeigte, wie digitale Tools die Menüerstellung und Bestellungen verbessern und die Integration kleiner Produzenten stärken können – besonders, wenn diese Funktionen flächendeckend genutzt werden.
7. Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU)
- 65 % der Großküchen setzen bereits auf sogenannte „Fresh-Cut“-Produkte, aber nur ein kleiner Teil kommt bioregional. Die gezielte Förderung von KMU und Start-ups in der Vorverarbeitung wird als zentraler Hebel gesehen, um das Angebot bioregionaler Fertigprodukte zu steigern.
8. Weiterbildungen und Coachings für nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung
- Schulungen und Beratungsangebote erhöhen die Bereitschaft zur nachhaltigen Umstellung. Laut Bericht wurden nach spezifischen Fortbildungen in Kitas die Bioanteile von durchschnittlich 13 % auf über 80 % gesteigert – und dauerhaft gehalten.
9. Attraktivität von Küchenberufen steigern
- Fachkräftemangel gilt als zentrales Hemmnis. Bessere Rahmenbedingungen, Weiterbildungen und faire Entlohnung sind Voraussetzungen, um qualifiziertes Personal für eine nachhaltige Transformation zu gewinnen.
10. Gestaltung nachhaltiger Ernährungsumgebungen
- Akzeptanz ist vor allem durch Kommunikation, Storytelling und attraktive Essensraumgestaltung zu erreichen. 86 % der Schüler*innen kommen auch mit weniger Fleischangeboten zurecht, wenn der Anteil an Bioprodukten steigt und das Angebot insgesamt stimmig ist.
Bedeutung der digitalen Vernetzung von Logistikpartnern
Neben den Handlungsempfehlungen wurde im Projekt auch eine Online-Plattform mit Akteursmapping entwickelt. Sie bietet eine strukturierte Übersicht zu Themen und Akteursgruppen (z. B. Küchen, Logistiker, Produzenten, Kommunen) und fördert den Wissenstransfer. Die im Bericht hervorgehobene Kombination von persönlichen Netzwerkveranstaltungen und digitalen Tools beschleunigt den Austausch und die Umsetzung bioregionaler Innovationen.
Um den Zugang zu bioregionalen Produkten weiter zu erleichtern, spielen spezialisierte logistische Dienstleister (wie CF – Customized Foodservice, CF Gastro Service GmbH & Co. KG) eine zentrale Rolle. Diese Partner ermöglichen – laut Bericht – die effiziente Bündelung kleiner Mengen und garantieren die zuverlässige Versorgung auch unter schwierigen Bedingungen. Innovative Logistikketten und digitale Konzepte machen den nachhaltigen Einkauf für Großküchen und Gemeinschaftseinrichtungen planbar und attraktiv.
Das Projekt „BioRegioKantine“ zeigt eindrucksvoll, dass bioregionale Ansätze in der Gemeinschaftsverpflegung nicht nur sinnvoll, sondern auch umsetzbar sind. Die vorgestellten Handlungsempfehlungen bieten eine klare Struktur, wie politische, wirtschaftliche und logistische Herausforderungen adressiert werden können.
Es liegt nun an allen Akteuren, diese Erkenntnisse praxisnah umzusetzen, um die Gemeinschaftsverpflegung zum Vorreiter für ein nachhaltiges Ernährungssystem zu machen. Mit klaren Zielvorgaben, gezielter Förderung und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit kann diese Vision bis 2030 Realität werden.
Quelle
Hoinle et al.: Strategien für mehr bioregionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung, 27.05.2025
Strategien für mehr bioregionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung
(Abruf 10.07.2025)